Mobile Retail mit iBeacons: Interview mit Thomas Vehmeier

    Das Interview mit Thomas Vehmeier wurde geführt von Christoph Pause (Chefredakteur acquisa) und am 22. Juni 2015 in der Fachzeitschrift acquisa veröffentlicht.

    Christoph Pause: Was sind eigentlich Beacons?

    Thomas Vehmeier: Beacons sind keine magische Technologie, sondern im Grunde nichts anderes kleine Bluetooth-Sender, die in kurzen Abständen ein Signal senden. Dieses Signal enthält im Grunde nichts weiter als die eigene ID. Stellen Sie sich ein iBeacon als eine Art Funk-Barcode vor. Die Signale werden von einer mobilen App empfangen und über die Signalstärke kann in etwa die Entfernung zum Smartphone berechnet werden. Das Beacon-Signal selbst kann von der App – etwa durch einen Rückkanal über das Internet – mit einem entsprechenden Kontext verbunden werden.

    Christoph Pause: Klingt erst einmal furchtbar technisch – was kann man damit machen?

    Thomas Vehmeier: Beacons werden eingesetzt werden, um einen räumlichen Kontext herzustellen – etwa um der App zu sagen, dass der Kunde jetzt direkt vor dem Regal mit den Drogerieartikeln steht.

    Daraus lassen sich natürlich interessante Szenarien entwickeln. Dem Kunden könnte zum Beispiel bei der Auswahl der Pflegeprodukte geholfen werden. Naheliegend sind natürlich auch Kundenbindungs-Kampagnen.

    Andere Anwendungen wie Indoor-Navigation oder In-Store-Analytics setzen zuerst auf ein höherwertiges Kundenerlebnis. Ich denke, hier wird es auf die richtige Mischung ankommen.

    Pause: Das klingt spannend, aber sind Beacons wirklich das Vehikel, über das gerade der Handel online und offline verbinden kann?

    Thomas Vehmeier: Der Handel sucht ja schon lange nach einer Antwort auf Amazon & Co. Die großen Player haben verstanden, dass sie aktiv werden müssen. REWE etwa hat in der kürzlich gegründeten Tochter REWE Digital über 200 Mitarbeiter eingestellt. Fast alle großen Händler haben irgendwo ein Beacon-Projekt in Planung oder basteln schon an Feldtests. 

    Aber Beacons stehen für mehr als mobilen E-Commerce. Unter Mobile Commerce wird ja heute meist noch Versandhandel verstanden, der über mobile Geräte gesteuert wird. Mit Beacons ergibt sich für Händler die Möglichkeit, nun auch das Kundenerlebnis im POS besser zu unterstützen. Vorreiter war hier zum Beispiel Apple. In den Apple Stores kann aus der App heraus ein Verkäufer gerufen werden, der dann über die Positionsbestimmung den Kunden metergenau orten kann – solche Anwendungen haben mit E-Commerce zunächst nichts zu tun, aber erhöhen einfach den Komfort enorm.

    Eine Voraussetzung ist natürlich immer die eigene App. Und gerade kleinere Händler haben die nicht. Daher setzen Kundenbindungsunternehmen wie Shopkick Payback in Zukunft stark auf diese Technik.

    Interessant könnten die Facebook-Beacons sein, die derzeit allerdings noch nicht in Deutschland auf dem Markt sind. Dann könnte jedes Unternehmen, welches eine Facebook-Page hat, Im Grunde Beacons einsetzen – allerdings nur in Kombination mit der Facebook-App.

    Christoph Pause: Location Based Services, persönliche Angebote – klingt toll, aber: Sind Menschen bereit, dafür ihre Standortdaten und mehr preis zu geben?

    Thomas Vehmeier: Hier sollten wir präzise sein. Die Beacons tracken ja nicht, sondern sie senden. Der App-Anbieter kann zwar über den Kontext der gesendeten ID indirekt auch den Standort erfassen, aber das 

    Das deutsche Datenschutzrecht ist da sehr streng. Die mir bekannten Anbieter aggregieren die Daten zwar, aber nicht auf der Basis der personenbezogenen Daten. Sollte der Nutzer das aber ausdrücklich wünschen – etwa weil es für ihn einen Mehrwert bietet, alle seinen vergangenen Einkäufe zu sehen – dann muss er explizit zustimmen. Der Erfolg hängt sicher weniger von der Technologie ab, sondern inwiefern die Anbieter sich hier empathisch verhalten und es nicht übertreiben.

    Für die Zukunft sehe ich intelligentere Anwendungen als Mobile Couponing. Das ist jetzt en vogue, weil es naheliegend ist. Die eigentlichen Anwendungsfelder von Beacons gehen weit über den Handel und den Einkaufsvorgang hinaus. Stellen Sie sich vor, sie steigen in die Bahn ein und die Bahn-App erkennt durch den Beacon, dass sie in der ersten Klasse sitzen und sie ein gültiges Online-Ticket haben – daraufhin könnten Ihnen etwa elektronische Zeitschriften auf Ihr Tablet geladen werden. Verlassen Sie den Zug – entfernen Sie sich also vom Beacon – so erlischt die Lizenz. Das ist sehr smart.

    Derart verbesserte Kundenerlebnis zwischen on- und offline sollten auch Händler auf dem Radar haben. Es wäre doch toll, wenn der Beacon über meinem Herd schon weiß, was ich eingekauft habe und mir ein paar Rezepte empfiehlt.

    Christoph Pause: Gibt es überhaupt schon Anwendungsbeispiele in Deutschland?

    Thomas Vehmeier: Die großen Händler und Vermarkter haben Pilotprojekte gestartet. Meist geht es aber noch darum, die technischen Hürden im POS in den Griff zu bekommen. STRÖER hat gemeinsam mit der Deutschen Bahn den Düsseldorfer Hauptbahnhof zu einer Beacon-Spielwiese ausgebaut. Hier lassen sich Beacon-Szenarien im gesamten Shopping-Bereich auskundschaften.

    Christoph Pause: Beacons, das bedeutet Mobile. Welche Rolle spielt das Smartphone heute eigentlich im Handel, aber auch in anderen Branchen?

    Das Smartphone ist nicht mehr wegzudenken. Wer den Kunden morgen noch erreichen will,  muss ihn dort abholen wo er ist – und das ist erst einmal nicht im Laden. Beacons helfen hier, die Customer Journey auch im Laden fortzusetzen.

    Was machen wir daraus? Was sind Ihre Gedanken dazu?

    Ihr

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    Thomas Vehmeier

    Thomas Vehmeier ist Diplom-Volkswirt, Digital-Stratege und Plattformökonom. Online bereits seit 1993, berät er heute Konzerne und mittelständische Unternehmen bei ihrer Internet-Strategie und unterstützt im Interim-Management – zuletzt im ThinkTank des Telekom-CEO, zuvor vor allem für Franchise-Zentralen und Handelsunternehmen.
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