Im Zentrum agiler Projektentwicklung steht nicht Geschwindigkeit, sondern der Kunde. Konsequent zu Ende gedacht folgt daraus, Produktmanagement als am Kunden ausgerichteten wechseltigen Co-Creation-Prozess zu verstehen. Damit eignet sich die Service-Dominant Logic hervorragend als Paradigma für das agile Produktmanagement der nächsten Generation.
Oft heisst es ja, der Schnelle, schlägt den Langsamen. Daher denken Manager häufig, agile Entwicklung ginge irgendwie ganz schnell. So mancher Konzern hofft eben dadurch, den Time-to-Market richtig zu drücken. Die Hoffnung ist immer: wenn wir schneller sind als die anderen, dann kommen wir auch früher an die Ernte und können Standards setzen.
Da muss ich immer dämpfen, denn tatsächlich wird nur in Etappen ausgeliefert. Agil hat nicht unbedingt etwas mit Geschwindigkeit zu tun, sondern damit, den Wert möglichst schnell an den Kunden auszuliefern (auch um Feedback zu bekommen). Der gesamte Feature-Set kann insgesamt sogar mehr Zeit in Anspruch nehmen als bei einem Wasserfall-Prozess. Aber darum geht es bei Agilität ja auch gar nicht.
Agil ohne Kundenzentrierung, das ist nicht möglich.
Die Erkenntnis aus vielen agilen Projekten lautet: Agil ohne Kundenzentrierung, das ist nicht möglich.
Richtig ist: Der Kunde muss immer im Zentrum agiler Projektentwicklung stehen. Das ist die eigentliche Herausforderung bei der Umstellung der Produktentwicklung. In der Vergangenheit waren Produktmanager und Konzepter ja anerkannte Experten im Hause, jetzt sind sie nur noch Moderatoren eines Co-Creation-Prozesses mit dem Kunden.
Das ist auch einer der größten Herausforderungen, denn in der Wasserfall-Ära waren Produktmanager oft Schreibtischtäter. Nun müssen sie sich aus ihren geheizten Büros hin zum Kunden bewegen. Stanford-Größe Steve Blank fordert ja genau deshalb: “Get out of he building!”. Im Firmengebäude sind keine Fakten zu finden, die für den nachhaltigen Aufbau von Kundenwerten relevant wären.
Produktmanagement als kundenzentrierter Service
Agile Produktentwicklung ist also ein kundenzentrierter Prozess, denn nur in der gemeinsamen Arbeit mit dem Kunden werden die Grundlagen für werthaltige Entwicklungen gelegt.
Damit lassen sich ein agiles Produktmanagement wunderbar als Service gemäß der Service-dominant Logic von Vargo/Lusch verstehen.
Wie aber wendet man die Service-dominant-Logic im Produktmanagement richtig an?
Wichtig ist zunächst die Erkenntnis, dass nur in der Nutzung des Produktes durch den Kunden – also nur bei ausgelieferten Produkten – sich der Kundenwert offenbart; man spricht in diesem Zusammenhang auch vom “value-in-use”. Demnach ist jedes Produkt immer auch ein Service. Erst wenn das Produktupdate beim Kunden eingespielt und auch benutzt wurde, ist dieser Nutzen vorhanden, nicht bei Fertigstellung der in den User Stories beschriebenen Features oder einer grünen Ampel. Erst wenn die Äpfel im Supermarkt gekauft und verspeist worden sind, entsteht der im Konzept des Value-in-Use beschriebene Wert.
Dem Feedback-Zyklus komm hier die entscheidende Bedeutung bei, denn nach Vargo/Lusch wird Nutzen ausschließlich und phänomenologisch von dem Begünstigten bestimmt. Nutzen ist eigentümlich, auf subjektiver Erfahrung beruhend, kontextabhängig und bedeutungsbeladen. Dieser Feedback-Zyklus steht im Kern des von Eric Ries beschriebenen Zyklus: “Bauen, Messen, Lernen” – das ist das Mantra einer agilen Entwicklung nach der Methode des Lean Startups.
Wertschöpfung ist ein wechselseitiger Prozess
Ausserdem ist nach der Service-Dominant-Logic der Kunde immer Mitgestalter der Wertschöpfung. Wertschöpfung ist ein wechselseitiger Prozess zwischen dem Kunde und Produktmanagement. Genau das wird mit Methoden wie Scrum abgebildet. Das bedeutet, das nachhaltige Wertschöpfung und Entwicklung von Wert nur bei einem effizienten Feedback-Mechanismus vom Kunden zurück in die Produktentwicklung möglich ist.
Um ein agiles Produktmanagement gemäß der Service dominant Logic zu entwickeln, muss sich das Produktmanagement auch mit dem Marketing versöhnen. Denn das Marketing tritt heute als Performance-based-Marketing in direkten, wechselseitigen Kontakt mit dem Kunden und erhebt zahlreiche Daten über die Produktnutzung. Diese Daten müssen immer auch vom Produktmanagement ausgewertet werden bzw. das Produktmanagement muss mitbestimmen dürfen, welche Daten gemessen werden sollen.
Wenn man Marketing aber als ein am Kunden ausgerichtetes Denken versteht und nicht als eine Sammlung an Werbe- und Analysetools, dann sollte dieser Schulterschluss nicht schwer sein.
Das aus der Ära der Goods-dominant Logic stammende, etwas abschätzige Begriff “Kundendienst” sollte in das Zentrum unternehmerischen Handels gestellt werden. Denn wer Produktmanagement und Service-Dominant-Logic verheiraten will muss verstehen: Agile Produktentwicklung ist nur als ein Dienst am und mit dem Kunden zu realisieren.
Bild: By Thomas.weckmueller (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
Dieser Beitrag wurde später ebenfalls veröffentlicht unter https://www.linkedin.com/pulse/article/produktmanagement-und-service-dominant-logic-agile-als-vehmeier/edit