Thomas, du bist seit über zwei Jahrzehnten vorne mit dabei, wenn es um digitale Transformation geht. Wann hast du zum ersten Mal gemerkt: „Okay, jetzt kippt das Spiel – wir reden nicht mehr über digitale Tools, sondern über ein neues Betriebssystem für Unternehmen“?
Ja, ich bin wirklich schon etwas länger dabei, die Digitalbranche hat sich stark verändert. Zu Beginn wurden wir eher so etwas belächelt, Internetexperten gab es gefühlt in jeder Familie – irgendeiner konnte immer eine Website zusammenschrauben. Aber ernst genommen zu werden, mit der Begeisterung neue Geschäftsmodelle zu entwickeln – das gedauert. Das Internet und jetzt auch KI sind ja echte Innovations-Booster. Die meisten Menschen sehen aber erstmal die Bedrohungen. Irgendwann merkt man, dass die Unternehmen endlich umdenken. Das war der Moment, als plötzlich Teams wirklich ihre Entscheidungsprozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten neu gedacht haben. Die ganzen digitalen Tools haben wenig gebracht, Digitalisierung ist nicht Excel in der Cloud. Es ist ein neues Organisations-Betriebssystem.
Wenn du an klassische Organisationen denkst – was ist das toxischste Muster, das du immer wieder siehst, wenn es um Innovation geht? Und wie brichst du das auf?
Das gefährlichste Muster ist: „Wir müssen mal was Innovatives machen, aber bitte ohne Nebenwirkungen.“ Innovation wird oft wie ein Nebenprojekt behandelt. Ich breche das, indem ich es in den Alltag ziehe. Es reicht nicht, weisse Sneaker zu verteilen und Tischkicker aufzubauen. Dieses Innovationstheater bringt nichts. Wir müssen an echten Kundenproblemen arbeiten, nicht an PowerPoint-Visionen.
Dein „Strategy Sprint Model“ – was passiert da wirklich in Woche eins? Wer sitzt im Raum, und was ist das härteste „No-Go“ für dich?
In Woche eins geht es um Klarheit: Wo ist der Hebel, der Wert schafft? Ich bring Entscheider, Macher und Querdenker an einen Tisch. No-Go: Wenn jemand denkt, das ist ein Meeting. Es ist ein Commitment.
Was unterscheidet die Leute, die wirklich was reißen, von denen, die nur über Transformation reden?
Die einen reden, die anderen leben es vor. Die, die was reißen, stellen sich selbst infrage. Die anderen suchen Ausreden. Transformation funktioniert nicht als Echtheitsstrategie.
Du sagst oft: „Agile Performance ist kein Selbstzweck.“ Was meinst du damit?
Wenn täglich Stand-ups stattfinden, aber keiner weiß warum, ist das kein agiles Arbeiten. Agile Performance heißt: Kundenfokus + Teamfokus + Ergebnisfokus. Ich frag: Könnt ihr als Team autonom handeln? Für mich geht agiles Arbeiten ohne Kunde nicht. Das ist vielen ja nicht klar, aber die ständigen zyklischen Abstimmungen, Neusortierungen und Planungsänderungen haben ja nur ein Ziel: wirklich permanent sicherzustellen, dass die Arbeit am Kunden ausgerichtet bleibt und der Fokus auf dem Kundennutzen liegt. Leider ist vieles zur Routine verkommen, Scrum beispielsweise verführt ja dazu, weil es einfach ein Framework vorgibt. Viele richten sich dann ein führen einfach ihre Events durch. Aber das ist nicht agil. Agil ist, ständig zu hinterfragen und zu justieren. Das ist verdammt anstrengend
Wenn du ein Whiteboard bekommst und „Organisation der Zukunft“ draufschreibst – was notierst du zuerst?
Echtzeitfähigkeit. Selbstwirksamkeit. Offene Plattformen. Und dann: „Lernen wie ein Start-up, liefern wie ein Konzern.“
Was war dein bislang schrägster Moment in einem Innovationsprojekt?
Ein Konzern wollte mehr Kundenzentrierung – stellte aber ein Team zusammen, das keinen Kontakt zum Kunden hatte. Ich hab ein Live-Servicegespräch in den Workshop gebracht. Danach war kurz Stille. Dann Bewegung.
Worauf bist du heute besonders allergisch geworden?
Auf Wunschkonzert-Strategien. „Wir brauchen mal eine Vision für die nächsten 10 Jahre.“ Nein, brauchen wir nicht. Klarheit schlägt Fantasie.
Gibt es etwas, was Dich in Projekten schockiert?
Allgemein spürt man in vielen Häusern eine fast schon paranoide Mischung aus Freude an der Selbstgeisselung und Gejammer („Unsere Führungskräfte blocken das hier immer alles!“) oder ganz im Gegenteil zu vie Hybris. Manchmal geht der Übergang zwischen Verzweiflung und Selbstüberhöhung im Raketentempo. Darin sind leider schon die Probleme von morgen zu sehen – im Babystadium. Dabei wird eines unterschätzt: Kontinuität und Mittelmaß. Teams, die dabei bleiben und ständig an ihren Backlogs arbeiten werden über die Zeit eine hohe Performance erreichen. Manchmal wird man als externer Berater im Projekt auch als Wundertüte oder Messias gesehen. Aber diese Wunschkonzert-Strategien à la „Wir brauchen mal eine Vision für die nächsten 10 Jahre.“ sind meist nicht nachhaltig.
Culture eats Strategy, so sagt man. Das hast Du sicher auch öfetr erlebt – dass sich Innovation in Luft auflöst, weil die Widerstände regiern. Was verändert für Dich wirklich Kultur – und was ist aus Deiner Sicht nur Theater?
Kultur verändert sich, wenn Menschen merken: Ich darf. Ich kann. Ich werde gehört. Der Hebel sind Räume, Rituale und Regeln. Alles andere ist Kulisse. Ich persönlich glaube ja daran, dass Menschen Rituale und Struktur bis zu einem bestimmten Maße brauchen. Insofern gibt es keine völlige Freiheit, wie sie manche radikalen Agilisten fordern. Ich bin da eher pragmatisch veranlagt und kein Fan von so etwas. Ich komme damit klar, dass ein agiles Team noch nicht perfekt ist – wichtig ist aber . Dann arbeiten wir eben dran! Das ist ja gerade agil! Einfach Scrum zu befolgen und dann zu glauben, jetzt sei alles agil udn auf den Kunden ausgerichtet – so etwas klappt nicht. Aber zu Beginn sind diese Frameworks und Methoden doch eine große Hilfe und eine Leitschnur, mit er man beginnen kann.
Wenn ich dir jetzt 100.000 Euro für ein kleines, radikales Innovationsprojekt gebe – was machst du?
Ich baue ein Peer-Learning-Format für Mittelstandsteams – KI-gestützt, mit echten Menschen. Kein Coaching, kein PowerPoint. Echtzeitlernen mit 5 Firmen, die mutig genug sind, Zukunft als Projekt zu sehen. Dabei geht es nicht um technische Details, also zum Beispiel, welches KI-Modell zum Einsatz kommt. Sondern es geht um Zukunft, um Use Cases, um Szenarien mit Kunden. Am besten entwickeln wir es direkt mit denen.
Zum Schluss – welchen Satz gibst du Geschäftsführern mit, die jetzt durchstarten wollen?
Verlier keine Zeit mit Perfektion – fang an mit echten Menschen, echten Problemen und echtem Feedback. Alles andere justierst du unterwegs.