Koordination von Wertschöpfung in 
vernetzten Service-Ökosystemen

    Offene Service-Plattformen weisen eine höhere Wachstumsdynamik auf als geschlossene Produktsysteme. Doch wie sehen Governance-Prinzipien aus, die das volle Potential der auf Plattformen möglichen Wertschöpfung entfalten? Gute Governance von vernetzten Service-Ökosystemen optimiert zwischen den Prinzipien des Wettbewerbs und der Kollaboration. Der folgende Artikel beschreibt beobachtbare Muster erfolgreicher Steuerungsprinzipien von Plattform-Geschäftsmodellen.

    Bevor wir über Governance und Planung zu sprechen kommen – wer hat diese Welt eigentlich vorhersehen können? Eine Welt ohne Handy, Suchmaschine, Chat und Social Medien erscheint den meisten Zeitgenossen unter fünfzig heute einfach unvorstellbar. Auch wenn viele Entwicklungen heute selbstverständlich und nachvollziehbar aussehen, so konnten sich die meisten Menschen in den Neunzigern die Welt von heute wohl kaum vorstellen. Oft lässt sich die Zukunft erst aus der Vergangenheit richtig deuten. Große Entwicklungssprünge lassen sich am besten aus der Retrospektive planen. Daher gibt es in letzter Zeit auch so viele Transformationsexperten: weil der Wandel ja längst stattgefunden hat und es jetzt lediglich um Anpassung an einen bereits dominanten neuen Gleichgewichtszustand geht. Es haben halt noch nicht alle mitbekommen. Daher die ganze Unruhe.

    1. Die Illusion eines Masterplans

    Warum sollte das mit der Zukunft eigentlich anders sein? Blockchain, Künstliche Intelligenz und Technologien, die wir heute noch gar nicht kennen, werden unser Leben stärker prägen, als es das Internet je getan hat. Eines sollte dabei klar sein: so wie die wenigsten den Stellenwert der Digitaltechnologien im Alltag und Wirtschaftsleben vorhersehen haben, so werden die meisten auch die zukünftigen Entwicklungen falsch einschätzen. Die Zukunft ist keine Fortschreibung der heutigen Entwicklung, sondern wird im Gegenteil an entscheidenen Stellen mit der Gegenwart brechen. Was kommt nach Facebook, nach Google, ja was kommt eigentlich nach dem Internet, womit wird es sich verbinden? Eines steht fest: am Ende werden wir alle schlauer sein. Kurzum: es gab nie einen Masterplan und es wird auch nie einen geben. [1]

    Es war genau diese Einsicht in die mangelnde Vorhersehbarbarkeit und Planbarkeit konkreter Umstände des Einzelfalls, die Ökonomie-Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek zu seiner tiefen Ablehnung der kollektivistischen Planwirtschaft führte. [2] Die Koordination einzelner Wirtschaftspläne durch zentralistischer Planung erkannte er als prinzipiell unlösbares Wissensproblem. Denn die konstruktivistische Illusion von Planung führte in Teilen der Ostblockstaaten immer wieder zu Liefer- und Produktionsengpässen. Das Versagen lag nicht am Wirken von uneinsichtigen kommunistischen Betonköpfen.

    Der Fehler lag ganz einfach darin, anzunehmen, dass in in komplexen Großsystemen wie einer Volkswirtschaft so etwas wie Planung überhaupt möglich wäre.

    Hayek bezeichnete dies als einen fatalen Irrtum. Der größte Teil menschlichen Wissens ist nach Hayek implizites Wissen, das den Menschen unbekannt bleibt und nur zu einem kleinen Teil bewusst aussprechen können: “Wir wissen immer mehr, als wir jemals sagen können” [4]

    Dazu kommt das Wissen über die konkrete Umstände an einem konkreten Ort, die nie einer zentral planenden Instanz in seiner ganzen Fülle bekannt sein könnten. Anstelle zentraler Planung fordert Hayek eine wechselseitige Abstimmung der Pläne – heute würde man dafür vielleicht den Begriff ‘agil’ verwenden. Allerdings passiert dies nicht automatisch, sondern es gibt ein spezielles Verfahren, das diesen Mechanismus leitet: es ist der Wettbewerb zwischen den Unternehmen, der in der Marktwirtschaft die nötigen Anreize gibt, damit Menschen und Unternehmen ihre Planungen wechselseitig sinnvoll abstimmen. Umso komplexer die Volkswirtschaften werden, desto wichtiger wird die Koordination von immer grösseren Teilen von Wertschöpfung über den Markt.

    Hayek stellte der Planwirtschaft also den Wettbewerb als ein Entdeckungsverfahren gegenüber, da er ständig neues Wissen produziere: “Dass in die Ordnung einer Marktwirtschaft viel mehr Wissen von Tatsachen eingeht, als irgendein einzelner Mensch oder selbst irgendeine Organisation wissen kann, ist der entscheidende Grund, weshalb die Marktwirtschaft mehr leistet als irgendeine andere Wirtschaftsform.” Zentrales Signal für die richtige Steuerung ist der Preis. Nur auf Wettbewerbsmärkten gibt es zwischen den einzelnen Teilnehmern abgestimmte Preise, in denen Wissen über komplexe Umstände gespeichert sind.

    2. Wachstumsdynamik und Vielfalt an Lösungsszenarien als größter Benefit von Plattform-Ökosystemen

    Dies erklärt auch sehr einfach, warum es für viele Unternehmen eine Entwicklung vom Pipeline- zum Plattformgeschäftsmodell geben muss. Durch die Entwicklung vom reinen Händler zum Plattformbetreiber hat Amazon eine völlig andere Dynamik in sein Geschäftsmodell gebracht. Die Dritt-Anbieter garantieren die Vielfalt der Angebote. Amazon bietet standardisierte Kernleistungen für die Händler (Drop-Shopping, Inkasso, etc.), um die Schwellen für den Zugang zu senken. Der CRM-Hersteller Salesforce bietet über seine Schnittstellen die Integration von Speziallösungen in seine Anwendung. Auch hier hat die Öffnung und die schrittweise Rollenveränderung vom Gatekeeper zum Market-Maker zu erheblichem Wachstum und zu mehr Wertschöpfung geführt.

    Erst der auf der Plattform herrschende Wettbewerb macht die Musik. Dazu gehören allerdings auch Differenzierungsmöglichkeiten. Insofern sind Marktplätze wie Amazon oder Ebay wesentlich vielfältiger als Plattform-Monokulturen wie UBER oder Helpling, wo es fast nur um den Preis geht. Bestes Beispiel für die durch den durch die Plattformlogik ausgelöste Wettbewerbsdynamik ist das Content-Management-System WordPress. Obwohl es ursprünglich als Blog-Redaktionssystem entworfen wurde, ist es auf schätzungsweise 30% der weltweiten Websites das zugrundeliegende System [8]. Diese Zahl vermeldet das Analyseunternehmen w3techs, das die Verbreitung von Content Management Systemen und anderen Basistechnologien im Web auf Basis von zehn Millionen beobachteten Websites ermittelt. Die zweiseitigen Netzwerkeffekte auf dem Markt für Erweiterungen dieses Systems sind derartig stark, das selbst Profi-Systeme, die über wesentlich ausgefeiltere Architekturen verfügen als WordPress, in vielen Anwendungsszenarien selbst für professionelle Websites durchfallen.

    Kritisch für den Erfolg eines Plattform-Geschäftsmodells ist die richtige Balance zwischen Offenheit und Kontrolle.

    Kritisch für den Erfolg eines Plattform-Geschäftsmodelles ist die richtige Balance zwischen Offenheit und Kontrolle. Denn einerseits neigt der Plattformbetreiber zu einer Gewinnmaximierung und versucht daher unter Umständen, eigene Beiträge besserzustellen oder einzelne Anbieter auszuschließen. Andererseits ist die Dynamik und somit das Transaktionsvolumen auf der Plattform in offenen immer höher als in geschlossenen Systemen.

    Für die Koordination von Wertschöpfungsprozessen in Service-Ökosystemen bedeutet dies, dass planerische Elemente zugunsten mehr Wettbewerb und einer Öffnung der Plattform aufgegeben werden sollten, je größer und komplexer die Plattform wird.

    Planerische Elemente sollten zugunsten mehr Wettbewerb und einer Öffnung der Plattform aufgegeben werden, je größer und komplexer eine Plattform wird.

    Und an dieser Stelle wird es für viele Unternehmen schwierig. Im Kern setzt die Hinwendung zu einer Plattformstrategie nämlich eine grundlegende Wandlung des vorherrschenden Mindsets, der dominanten kulturellen Logik eines Unternehmens und seines Managements voraus. Der Plattformbetreiber muss bereit dazu sein, Teile seiner Wertschöpfung-Pipeline zu öffnen und damit Drittparteien einzuladen, bessere Lösungen zu etablieren.

    Plattform ist, wenn Sie ihre Lieferanten und Kunden miteinander ins Bett schicken und am Morgen danach das Frühstück servieren.

    Vielen Unternehmen fällt das schwer und sie regulieren und ersticken die Plattformdynamik.

    3. Der Konstruktivismus betrieblicher Planungsprozesse

    Heute steht jede marktorientierte Unternehmensführung vor einer ganz ähnlichen Herausforderung und muss sich fragen lassen, inwiefern lineare, zentrale Koordination im Einzelfall wirklich zu guten Ergebnissen führt. Die zunehmende Vernetzung und spontanere Aktivierung der Teilnehmer macht langfristige Vorhersagen in vielen Fällen quasi unmöglich, Führungskräften fehlt es an Orientierung und Entscheider segeln auf Sicht. Kurzum: Planung und Planbarkeit, wie wir sie aus der Zeit linearer Entwicklungen gelernt haben, entpuppen sich gerade für die neuen Innovationsfelder immer häufiger als Illusion.

    Damit befindet sich Management in einer existentiellen Krise. Denn gefordert sind neben den Rezepten klassischer betriebswirtschaftlicher Planung und mechanistischer Regelkreise (Planen, Messen, Kontrollieren) und der damit verbundenen Messverfahren auch Entdeckungsverfahren – die die Komplexität der Kundenrealitäten einfangen können.

    Anders als bei Hayek ist das Entdeckungsverfahren, das uns hilft, diese komplexen Realitäten einzufangen, jedoch nicht ausschließlich der Wettbewerb zwischen den Unternehmern, sondern eine Kollaboration mit den Kunden. Die Kunden geben den Unternehmen Einsichten in ihre Welt, sei es im Rahmen akzeptierter Daten-Trackingverfahren oder durch direkten Kundendialog. Dies macht ökonomisch Sinn, da Kunden auf der betriebswirtschaftlichen Ebene Anreize zur Kooperation haben, wenn sie durch bessere Produkterlebnisse einen höheren Kundenwert erzielen können. Kooperation ist also kein Nullsummenspiel, wenn sich daraus neue Nutzenformen ergeben.

    4. Smart Products und smarte Service-Ökosysteme

    Intelligente, vernetzte Produkte sind jedoch nicht mit den eindimensionalen Gütern vergleichbar, von denen Hayek ausging.
    Anhand eines Traktors seien die verschiedenen Grade der Vernetzung eines Produktes erklärt [6, 7]:

    • Produkt: Das traditionelle Modell. Das Unternehmen stellt Traktoren her und verkauft sie.
    • Intelligentes Produkt: Sensoren und eingebaute Computer führen dazu, dass der Traktor zum Beispiel auf Umgebungsdaten reagieren kann.
    • Intelligentes, vernetztes Produkt: Der Traktor kann nun Daten etwa über seinen Standort, Spritverbrauch und vieles mehr senden – etwa an eine App.
    • In einem Produkt- bzw. Service-System beginnen nicht nur Traktoren, sondern auch andere Maschinen miteinander Daten auszutauschen und darauf zu reagieren. Ein solches vernetztes System in der Landwirtschaft entwickelt bspw. die Firma Claas im Projekt ‚Connected Cockpit’ [8].
    • Zum erweiterten Ökosystem des Service-Systeme gehört die Vernetzung der Produkte ganz unterschiedlicher Branchen. Im Falle des Smart-Farming-Systems tauschen die Systeme komplexe Informationen aus um etwa Aussaat, Bewässerung und vieles mehr optimal zu steuern.

    Ein weiteres Beispiel ist eine vernetzte Navigationssoftware:

    • Intelligentes Produkt: reine GPS-Nutzung
    • Intelligentes, vernetztes Produkt: GPS + Stauinformationen aus aktuellen Bewegungsprofilen (Internet-Rückkanal)
    • Produkt-Service-System: Vorhersagemodelle + Big Data (Verbindung von Echtzeit-Daten mit historischen Daten)

    4. Die Balance von Push und Pull

    Die Nutzung intelligenter, vernetzter Produkte ist per se ko-kreativ, da ihnen wesenseigen ist, dass Nutzungsdaten gesammelt und geteilt werden, um daraus das Nutzungserlebnis zu verändern.

    Durch in die Produkterlebnisse eingebaute digitale Kommunikation werden ständig neue Impulse für Wertschöpfung erzeugt, die in einem Push-Pull-Mechanismus ständig die Leistung mit den Kundenbedürfnissen abstimmen. Ein Beispiel dafür sind Dienste wie Netflix oder Spotify, die im Laufe der Zeit aus dem Nutzerverhalten lernen und das Kundenerlebnis dynamisch an den einzelnen Nutzer anpassen. Zwar wird es auch in Zukunft Güter geben, die in linearer Massenproduktion an alle Kunden gleichermaßen ausgeliefert werden und entsprechend in den Markt “gedrückt” werden (dies könnten zum Beispiel bestimmte Standardgüter wie Nahrungsmittel oder einfache Werkzeuge des täglichen Bedarfs sein, aber bei immer mehr Leistungen steht anstelle des Tauschprozesses (value-in-exchange) die ko-kreative Wertschöpfungsbeziehung am Nutzen (value-in-use) im Zentrum.

    Nicht ohne Grund werden immer mehr kundennahe Prozesse agil abgebildet, was nichts anderes bedeutet, als das die Pläne des Unternehmens ständig und wiederholend mit den Kundenbedürfnissen abgestimmt werden. Entscheidend ist hier, wieviel Empathie Unternehmen aufbringen, um das ideale Kundenerlebnis zu kreieren. Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wird in Zukunft dadurch bestimmt, inwiefern sie hier neue Wege finden, dieses Kundenerlebnis, also den vom Kunden erlebten Nutzen, ständig zu verbessern und zu verfeinern.

    5. Der Mensch im Mittelpunkt ko-kreativer Wertschöpfung

    In Abgrenzung zum klassischen Begriff des Customer Values, bezeichnet der von mir eingeführte Begriff des ‚Deep Value‘ einen mehrdimensionalen, sich im Zeitverlauf dynamisch anpassenden Kundennutzen, deren Ebenen sich nur aus einem emphatischen Dialog zwischen Kunde und Unternehmen erschließen. [5]

    Eine simple Kundenorientierung reicht nicht mehr aus, gefordert ist vielmehr ein tieferes Verständnis für Kundennutzen und ein Arsenal an Instrumenten, um dieses Verständnis in einem ständigen Kundendialog immer wieder zu verfeinern.

    In dieser Perspektive ist es interessant, dass in letzter Zeit viel von Business-Ökosystemen gesprochen wird, aber weniger vom Mensch, der ja auch eine Art Ökosystem darstellt. Folgen wir dem Gedanken des Ökosystems Mensch, so bekommt der Kundennutzen mehrere Dimensionen. Überhaupt kann Wert nur von einer Person bestimmt geben, es gibt gar keinen übergeordneten Wert. Das, was für Sie vielleicht von höchstem Wert ist, hat für jemand anderen eventuell überhaupt keinen Wert. Innerhalb jeder Dimension kann dann durchaus Nutzen bemessen werden. Jedoch ist die Gewichtung und Ausprägung der einzelnen Dimensionen zunehmend fragmentiert. Die Dimensionen von Nutzen können für jede einzelne Person und für jeden Kontext anders ausgeprägt sein.

    6. Wertschöpfung durch Beziehung

    Tiefgehende Wertschöpfung (Deep Value Creation) ist ein Entdeckungsverfahren, an dem beide Marktseiten beteiligt sind. Die Ausgangsthese lautet, dass ohne wechselseitige Rückkopplung nicht das volle Potential der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunde und damit der gemeinsamen Wertschöpfung ausgenutzt werden kann.

    Entscheidend ist die Tiefe des gegenseitigen Verständnisses – und zwar in beide Seiten: zum einen über die Bedürfnisse des Kunden und zum anderen über die Machbarkeiten. Ich werde in folgendem zeigen, wie Unternehmen und Kunden in Zukunft gemeinsam tiefe Wertschöpfung möglich machen können. Ich möchte dieses Vorgehen „Deep Value Creation“ nennen. Der Ansatzoptimiert den Customer Value, indem er in der Produktdimension (integrierte ko-kreative Services, Plattformen) wie auch in der Prozess-Dimension (Kollaboration, Plattformen) ein mehr an Individualität, Interaktion und innovationsfähigkeit ermöglicht (Konkretisierung der 4i von Heribert Meffert in der Produkt- und Prozess-Dimension).

    Bei der Deep Value Creation geht es nicht mehr um Absatz von Produkten, nicht mehr um einen simplen Tausch von Produkten gegen ein monetäres Äquivalent. Absatzgetriebene, kurzfristiges Vertriebsdenken ist in diesem Denken suboptimal. Vielmehr gehen Kunde und Unternehmen eine Wertschöpfungsbeziehung ein. Beide eint die Einsicht, dass sich Kundenwert und damit Wertschöpfung nur gemeinsam aus der Tiefe und Qualität dieser Beziehung erzeugt. Die Kunden-Unternehmen-Beziehung ist hier immer bidirektional und wird nicht allein vom Unternehmen gesteuert.

    Tiefgehend bedeutet auch, dass beide Seiten in dieser Beziehung wachsen sollen. Der Kunde soll nicht nur bedient werden, sondern sich weiterentwickeln. Der Unternehmer ist nicht nur Erfüllungsgehilfe des Bedarfs seiner Kunden. Genauso wenig ist der Kunde nur Abnehmer einer Leistung. Im Gegenteil besteht in dieser Vorstellung eine wechselseitige Verantwortung. Der Kunde sollte innerhalb der ko-kreativen Arbeit einen Wachstumsprozess durchleben können, in dessen Zentrum Lernen steht. Der Kunde muss dafür aber auch bereit sein, mehr preiszugeben und sich selbst nicht mehr nur als Leistungsempfänger zu sehen. Er hat damit also eine Mitverantwortung für die Wertschöpfung ermöglichende Beziehung und bestimmt durch seine Haltung und sein Verhalten, inwiefern diese bedeutungsvoll für ihn werden kann.

    Nur in der empathischen Beziehung und das Teilen von Erlebnissen, die auch ehrlich als Partnerschaft (und damit auf Dauer) angelegt ist, können sich Unternehmen und Kunden nähern.

    Aus Sicht des Unternehmens kann Beziehung auch bedeuten, auf Absatz zu verzichten, der die Weiterentwicklung einer emphatischen Beziehung stören könnte. Wenn es möglich ist, auf empathischer Ebene immer mehr Informationen zu sammeln und auszuwerten, warum nutzen wir das nicht, um unsere Beziehung zum Kunden auf Dauer zu verbessern und zu vertiefen?

    7. Ausblick: Verteilte Identitäten und gemeinsame Kontrolle

    Es konnte gezeigt werden, dass durch die erhöhte Komplexität in smarten, vernetzten Service-Ökosystemen keine einfache Gleichgewichtslogik mit einer Markträumung wie wir sie aus der neoklassischen Ökonomie kennen, möglich ist. Wie in allen in komplexen Großsystemen erweist sich die Planbarkeit von Koordinationsprozessen hier als Illusion.

    Während im Falle klassischer eindimensionaler Produkte der Markt ein Entdeckungsverfahren in Form des Wettbewerbs bereitstellt, erfordert die Komplexität smarter, vernetzter Produkte ein Denken in vernetzten Service-Ökosystemen. Hierzu ist es erforderlich, dass Unternehmen und Kunde zusammenarbeiten. Die betriebliche Ebene erfordert also eher partnerschaftliche Formen der Zusammenarbeit zwischen den Marktseiten.

    Während auf der Ebene des Marktes bzw. der Plattform Wettbewerb zu mehr Lösungen führt, spricht auf der Ebene der einzelnen Kunde-Unternehmen-Beziehung vieles für einen dauerhafte Kooperation.

    Das volle Wertschöpfungs- und Wachstumspotential dürften Plattformen jedoch nur erreichen, wenn sie die richtige Balance zwischen den Prinzipien des Wettbewerbs und der Kooperation erreichen. Dies wird ein wichtiges Feld zukünftiger Forschung zur richtigen Allokation auf Plattformmärkten sein.

    Hier sei auf die besondere Rolle der Daten hingewiesen, die bei der Nutzung der smarten Services entstehen. Es spricht vieles dafür, dass die Höhe der Gesamtwertschöpfung auf den Plattformen davon abhängt, inwiefern es dem Plattformbetreiber gelingt, die Daten auch für andere Anbieter auf der Plattform (Platform Peer Producer) nutzbar zu machen. Insbesondere Nutzungsdaten sind jedoch als personenbezogene in hohem Maße schutzwürdig, so dass der Nutzer dazu neigen könnte diese Daten nur einem bevorzugten Provider anzuvertrauen. Andererseits würde ein derartiges „Datenmonopol“ beim Preferred Supplier zu weniger Wettbewerb und weniger Lösungsoptionen für den Kunden und somit vermutlich auch weniger potentiellen Kundenwert bedeuten. Für den Nutzer kann es also Sinn machen, seine Daten vielen Providern zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die personenbezogenen Daten pseudonymisiert werden. Die habe ich als „Gemeinsame Kontrolle“ bezeichnet. [5]

    Ein interessanter Anwendungsfall könnte daher die Blockchain-Technologie sein, die durch die verteilte Kontrolle der Identitäten das Potential besitzt, die derzeit noch stark monopolartigen Provider-Kunde-Beziehungen auf Plattformmärkten aufzubrechen und ein höheres Wertschöpfungspotential durch mehr intelligente Vernetzung zu erschließen.

    Quellen:
    1. Hayek, Friedrich (1969): Wirtschaft, Wissenschhaft und Politik. Antrittsvorlesung am 18. Juni 1962 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.B. (Freiburger Studien, Tübingen, S. 11) books.google.de)
    2. B. Joseph Pine, James Gilmore: Welcome to the Experience Economy. In: Harvard Business Review. 7. Januar 1998.
    3. Vehmeier, Thomas: Unwissen und Freiheit in der digitalen Gesellschaft, 2015, http://www.interneteconomics.de/unwissen-und-freiheit-in-der-digitalen-gesellschaft/
    4. vgl. Bouillon, Hardy: Ordnung, Evolution und Erkenntnis. Hayek Sozialphilosophie und ihre erkenntnistheoretische Grundlage, Tübingen 1991, S. 92.
    5. Vehmeier, Thomas: Deep Value: Vorsprung durch gemeinsame Wertschöpfung, 2019, LinkedIn: https://www.linkedin.com/pulse/deep-value-vorsprung-durch-gemeinsame-wertschöpfung-thomas-vehmeier/
    6. Harvard Business Manager, So sprengen Sie Branchengrenzen, 9. Mai 2017, http://www.harvardbusinessmanager.de/fotostrecke/das-internet-der-dinge-so-loesen-sich-branchengrenzen-auf-fotostrecke-121445.html
    7. Joho, Katja, Digitale Landwirtschaft: Wie Hightech den Bauernhof revolutioniert. http://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/digitale-landwirtschaft-wie-hightech-den-bauernhof-revolutioniert/11340220.html
    8. Rixecker, Kim: Neuer Rekord: 30 Prozent aller Websites nutzen WordPress, in: t3n, 5.3.2018, https://t3n.de/news/wordpress-30-prozent-972425/
    8. Class, http://www.claas-e-systems.com/de/oem-produkte/telematics/
    9. Foto: Collin Schmitt, PD

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    Thomas Vehmeier

    Thomas Vehmeier ist Diplom-Volkswirt, Digital-Stratege und Plattformökonom. Online bereits seit 1993, berät er heute Konzerne und mittelständische Unternehmen bei ihrer Internet-Strategie und unterstützt im Interim-Management – zuletzt im ThinkTank des Telekom-CEO, zuvor vor allem für Franchise-Zentralen und Handelsunternehmen.
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