In meinem letzten Beitrag habe ich die vier Bedingung tiefgehender Wertschöpfung kurz dargestellt. Ich möchte nun etwas tiefer auf die Wichtigkeit des Lernens für Wertschöpfung eingehen. Lineare Prozesse benötigen Superhelden. In der digitalen Ära der Komplexität ist der Marvel-Superhero-Ansatz jedoch äußerst problematisch.
Klassische Konzepte von Wertschöpfung wie Porters Wertschöpfungskette oder die Wertstromanalyse behandeln Lernen eher am Rande. Auch lineare Prozessmuster wie das Stage-Gate-Verfahren oder das Wasserfallmodell gehen implizit davon aus, dass zu Beginn des Prozesses genug Wissen vorhanden ist, um am Ende genug Kundenwert zu Schafen. Dabei stehen die Prozesshelden (ich nenne das Wasserfallmodell auch gern einen “Marvel-Superhero-Ansatz”) am Beginn der Pipeline. Alle folgenden Phasen ergeben sich aus der initialen Planung. Alle Experten in den späten sind nur Erfüllungsgehilfen der vorhergehenden Phasen. Verrückterweise benötigt man in diesen Modellen “Projektmanager” und “Prozessmanager”, da der Prozess selbst offensichtlich meist nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Man könnte auch formulieren: das Wasserfall-Modell traut sich selbst nicht. Ohne den erfahrenen Projektmanager drohen die meisten linearen Projekte zu scheitern, da jeder im Team in eine andere Richtung zieht und sich alles im Projektverlauf ständig verändert.
Lineare Prozesse benötigen Superhelden.
Projektplanung war über all die Jahrhunderte meist formlos und fokussierte auf die Erfahrungen und Kenntnisse der Verantwortlichen. Weder militärische Feldzüge, noch die Errichtung großer Bauwerke oder lange Entdeckungsreisen wurden detailliert geplant. Entscheidend war das auf Erfahrung beruhende intuitiv vorausschauende Handeln der Verantwortlichen. Eine von der Führungsfigur losgelöste Systematik (aka Projektmanagement) entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Henry Gantts 191o entwickelter Balkenplan, der bis heute Grundlage linearen Projektmanagements ist, wurde erstmals bei der Errichtung des 1935 fertiggestellten Hoover-Dam.
Der Aufstieg linearer Planungsmethoden ging dann Hand in Hand mit der Ausweitung der Massenproduktion.
Ist das Ergebnis bekannt und sind die Rahmenbedingungen stabil, so lässt sich das Ergebnis damit gut planen. In einer Zeit, in der die Märkte ungesättigt waren und mit Standardprodukten versorgt werden mussten, die leicht feststellbaren Bedürfnisse befriedigen, ist es hoch wirtschaftlich.
In der Ära des Mass Customizing, der personalisierten Produkte, der sich den persönlichen Präferenzen anpassenden Serviceprodukten, der Komplexität der Rahmenbedingungen, ist der Marvel-Superhero-Ansatz problematisch.
Es gibt kein Anfang, kein Ende
Zudem suggeriert die Idee eines Projekts suggeriert, dass es einen Anfang und ein Ende einer Entwicklung gibt. In agilen Entwicklungen (wie bei Scrum) gibt es dagegen eine iterative Taktung und die Abfolge von Feedback, Lernen und Verändern. Der Prozess beinhaltet Lernen als elementares Element. Wenn man es zu Ende denkt, endet dieser Prozess im Grunde nie, nur der Fokus der Aufgaben ändert sich.
Tatsächlich ist das Wissen um die wirklichen Bedürfnisse des Kunden sehr beschränkt. Es gibt zunehmend weniger gesichertes Wissen am Beginn der Kette, sondern dieses ergibt sich erst aus dem Prozess selbst. Wertschöpfung gestaltet sich also nicht in einer Kette (Push), sondern in einem Netzwerk (Pull) weiterer Beziehungen.
Die reichhaltigste Quelle für organisatorisches Lernen ist der Kunde. Ein lernender Prozess stellt daher den Kunden in den Mittelpunkt. Dies geschieht heute schon in agilen Entwicklungsprojekten, die ja iterativ ausliefern, aber in den anderen Bereichen von Wertschöpfung gibt es diese Feedbackschleifen noch viel zu wenig. Möglichkeiten zum Lernen ergeben sich ständig, der Kunde sendet unentwegt Signale aus, die das Unternehmen allerdings zunächst aufnehmen, dann richtig verstehen und schliesslich in Handlungen umsetzen muss, damit neue Wertschöpfung entstehen kann.
Das Zeitalter der Personalisierung bedeutet, Personas und starre Zielgruppen zu überwinden und den einzelnen Mensch als mehrdimensionales Ökosystem zu betrachten. Dies geht nur, wenn die Produkte und Services selbst über Kommunikationsfähigkeit verfügen, um ständig Kunden-Feedback abzufragen und den Prozess mit diesem Wissen ständig zu füttern (integrierter Dialog).
Lernender Prozess und Deep Learning
In der digitalen Ökonomie ist der dominante Prozess von Wertschöpfung daher optimierendes Lernen als Annäherung an eine unbekannte Funktion. Die Verfahren der künstlichen Intelligenz erlauben es in Zukunft, unbekannte Zusammenhänge iterativ durch Nutzer-Feedback zu erschließen. Unternehmen müssen also über Schnittstellen und Lernalgorithmen für Netzstrukturen verfügen. Diese Lernalgorithmen arbeiten an hidden layers zwischen Eingabeschicht und Ausgabeschicht zu entdecken (künstliches neuronales Netz).
Gleichzeitig müssen sie es ermöglichen, dass die Daten und die Hidden Layers auch gleichermaßen von Dritten genutzt werden können, die sich auf den gemeinsamen Lernprozess festlegen und daran teilhaben und dazu beitragen möchten. Dies ist nur bei einer Öffnung der Unternehmensgrenzen nach außen möglich. Lernen in der Isolation des eigenen Unternehmens ist notwendig beschränkt. Unternehmen, die tiefgehende Wertschöpfung ermöglichen wollen, sollten sich daher Gedanken über Kooperationsformen mit anderen Unternehmen machen. Eine abgestimmte, offene Schnittstellen-Strategie kann hier Synergien ermöglichen. Perspektivisch muss ein Enterprise Service Bus abgestuft auch Partnern und Kunden offen stehen. Neue Schnittstellen-Konzepte sind gefragt und für das Wertschöpfungspotenial eines Unternehmens strategisch relevant.
Die Idee des lernenenden Prozesses bestimmt darüber, ob Unternehmen
Quelle: zum Hoover Dam https://de.wikipedia.org/wiki/Hoover_Dam) eingesetzt.