Data Becker – eine Ära geht zu Ende

    In den Achtzigern war Data Becker eine Legende. Quasi das Tempo-Taschentuch des EDV-Buchs. Nun gibt der EDV-Verlag auf und schliesst die Pforten. Neben Data Becker wurden mit Addison-Weasley und Markt+Technik auch andere frühere IT-Buchgiganten zurechtgestutzt.
    Mit dem Aufkommen von Heimcomputer in den Achtziger Jahren wie etwa dem C64, dem Atari sowie dem Personal Computer stieg Data Becker rasant auf und galt bereits 1984 als größter IT-Verlag Deutschlands.
    Die Wirtschaftswoche schreibt nun, Data Becker habe “den Wandel der IT-Branche weg von stationären PCs hin zu Mobilgeräten wie Smartphones und Tablets sowie dem Aufkommen des Internets nicht hinbekommen“. Hier schreibt eine Düsseldorfer Zeitschrift zwar freundlich über ein anderes Düsseldorfer Unternehmen, aber ich kann mir das aufgrund meiner eigenen Erfahrungen nicht als den wahren Grund vorstellen.
    Aber zunächst ein paar Worte zum Aufstieg von Data Becker.

    Dieser war kometenhaft. Die Computerhersteller hatten es zu Beginn der Achtziger Jahre einfach  nicht hinbekommen, gute Handbücher – oder wenigstens eine halbwegs verständliche Dokumentation zu schreiben. Die Brüder Becker (Achim und Harald), die eigentlich sehr erfolgreichen Autohandel betrieben hatten, haben einen guten Riecher bewiesen und die Marktlücke schnell besetzt. Die beginnende PC-Ära brauchte nicht nur günstige Computer, sondern auch das dafür nötige Wissen zu deren Bedienung. Kurse gab es auch nur wenige, denn praktisch niemand kannte sich aus. Es war völliges Neuland (wie man heute sagen würde).
    Die günstigen EDV-Bücher von Data Becker bedienten diesen Mangel sehr erfolgreich und vor allem eines – schnell. In den Folgejahren  waren die rot-weissen Paperbacks in allen EDV-Läden und dominierten den EDV-Buchmarkt fast total. Eine unternehmerische Glanzleistung!
    Für die Generation C64 wurde Data Becker ein fester Begriff. Bücher wie “C64 Intern” waren für damalige Verhältnisse richtige Meisterwerke, die enorm über ein gewöhnliches Handbuch hinausreichten. Das Lernen stand im Vordergrund.
    Eine gute Idee auch für heutige Gründer, denn so oft fehlen gute Handbücher und man bekommt so einfach Zugang zu einer tollen Zielgruppe. Bei den Cloud-Diensten tut sich da gerade ähnliches auf. Eigentlich wieder eine neue Marktlücke, denn vieles aus der App- und Cloud-Welt ist schlecht dokumentiert, wie auch der IT-Autor Günther Born auf seinem Blog anmerkt.
    Data Becker hat sich damit durchaus den kulturellen Verdienst erworben, Deutschland an den PC herangeführt zu haben. Dafür sollten Sie eigentlich ein Bundesverdienstkreuz bekommen (wenn die Brüder nicht schon eines haben)! Und  C64-Generation konnte so zu den Nerds werden, die sie heute noch sind.
    Nun zum weniger Erfreulichen. Data Becker hatte damals alle Karten in der Hand, um sich dauerhaft in den Herzen und Köpfen der Computer-Anwender festzusetzen. Aber das ist irgendwie nicht geschehen. Denn die Qualität ging irgendwie den Bach runter. Und so etwas passiert nicht irgendwie, sondern weil das Management die Zeichen der Zeit nicht richtig deutet und die falschen Entscheidungen trifft und die falschen Vorgaben macht. Oder eben gar keine richtige Strategie hat und einfach nur möglichst viele Produkte auf den Markt werfen will.
    Und hier kommt nun meine eigene Erfahrung mit dem Unternehmen ins Spiel, die mir auch gestattet, einen solchen Nachruf zu schreiben. Denn ich war selbst einmal Mitarbeiter, habe Mitte der Neunziger Jahre -quasi auf dem Höhepunkt der Verlagsentwicklung – dort neben meinem Studium als freier Lektor gearbeitet.
    Damals lag der Umsatz noch jenseits der Schwelle von 100 Millionen Mark, zuletzt jedoch nur noch bei etwa 20 Millionen Euro, das ist noch nicht einmal die Hälfte. Es wurde bereits modern gearbeitet und die Mitarbeiter waren ausgewiesene Computerexperten auf Ihrem Gebiet. Enterprise 2.0 war als Marketingbegriff noch nicht erfunden, aber wenn es darum ging eine Bahnfahrt von Köln nach Düsseldorf zum umgehen, dann war damals schon vieles möglich. Doch Talente und Prozesse sind nicht alles, was den Unternehmenserfolg ausmachen.
    Nach meiner persönlichen Einschätzung hat sich Data Becker nicht auf die gestiegenen Qualitätsansprüche und neue Formen der Wissensvermittlung wie Videokurse etc. eingestellt. Neue Wettbewerber wie dpunkt und Galileo hatten leichtes Spiel dem Verlagsriesen Marktanteile abzuknüpfen. Es fehlten einfach die intelligenten Konzepte. Es war damals etwa Maßgabe, möglichst viele Seiten in das Buch zu packen, damit der Nutzer den Wert des Buches höher einschätzt. Diese Vorgaben seitens des Managements wurden viel zu wenig hinterfragt. Ich habe damals so tolle Manuskripte wie “Das Große T-Online-Dschungelbuch” auf den Tisch bekommen. Auf den ersten 150 Seiten ging es um die Programmierung des Modems – diesen Blödsinn zu streichen oder wenigsten gekürzt in den Anhang zu verfrachten, war eine schwierige Aufgabe in der Auseinandersetzung mit dem Management. Damals wurde auch andere Produktserien gelauncht, die vom Qualitätsanspruch einfach die Nutzer unterschätzt haben. Dazu gehört etwa die “Goldene Serie”, die für alle erdenklichen Probleme eine kleine Software angeboten hat. Man hatte also auch hier noch den Anspruch alles selbst tun und anbieten zu können.
    Auch wenn ich die Unternehmensentwicklung von Data Becker in den letzten Jahren nicht mehr verfolgt habe, wundert mich das Ausscheiden von Data Becker aus dem EDV-Buchmarkt nicht. Um in den Verlag zu kommen, musste man übrigens durch den Autohandel durchgehen. Und damit ist schon das meiste erzählt. Denn genau wie ein Autohandel wurde der Verlag damals schon geführt.
    Die zweite Lehre aus dem Niedergang von Data Becker ist für mich die, dass der Fokus auf den kurzfristigen Profit mittelfristig in die falsche Richtung führen kann. Vielleicht hat hier auch ein wenig die Autohändler-Mentalität der Gründer eine Rolle gespielt – aber das ist Spekulation und wäre vielleicht auch ein wenig unfair. Der Verlag und seine tolle Geschichte hätte jedenfalls früher einen radikalen Strategiewechsel benötigt, der nicht nur auf das Billigsegment setzt, sondern die etablierten Anwender ernsthaft betreut. Für mich ist Data Becker daher ein Opfer seiner eigenen, starken Wettbewerbsorientierung und zu starken Fokussierung auf den Preis geworden. Kurzum: billig allein reicht eben nicht.
    Traurig für so manchen Ex-Kollegen und dass hier so mancher Arbeitsplatz wegfällt. Auch ein bisschen Wehmut ist für mich dabei. Aber die Marktbereinigung wird letztlich nicht zu Lasten der Nutzer gehen – denn es gibt längst für alles sehr guten Ersatz.
     


    Foto: No Leaning by Alexander Svensson, on Flickr, Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)

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    Thomas Vehmeier

    Thomas Vehmeier ist Diplom-Volkswirt, Digital-Stratege und Plattformökonom. Online bereits seit 1993, berät er heute Konzerne und mittelständische Unternehmen bei ihrer Internet-Strategie und unterstützt im Interim-Management – zuletzt im ThinkTank des Telekom-CEO, zuvor vor allem für Franchise-Zentralen und Handelsunternehmen.
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