Meist wird in Zusammenhang mit dem mobilen Handel der Begriff ‚Mobile Commerce’ benutzt. Dieser leitet sich jedoch vom ‚E-Commerce’ ab und bezieht sich lediglich auf Anwendungen rund um den Versandhandel. Die Bezeichnung ‚Mobile Retail’ finde ich wesentlich präziser, beschäftigt sie sich doch mit Nutzungsszenarien auf Basis mobiler Apps für den stationären Einzelhandel. Das Nutzererlebnis ist hierbei durchweg hybrid, d.h. der Nutzer ist unterwegs und kombiniert Aktionen auf dem Smartphone seiner Customer Journey im POS.
Der klassische Online-Handel ist ja im Grunde ein Versandhandel und wächst seit Jahren auf Kosten des stationären Einzelhandels. Natürlich werden sich auch diese Geschäftsmodelle in den mobilen Bereich erweitern, aber beim mobilen Handel ist eben weitaus mehr möglich, als sich ein Paket nach Hause schicken zu lassen.
Im ‚Mobile Retail’ würden sich die Vorteile des stationären Einzelhandels, nämliche die Möglichkeit der sofortigen Überprüfung der Qualität und das haptische Erlebnis des Ansehen und Anfassens mit der App-Ökonomie verbinden lassen. Dieselbe Feststellung gilt natürlich auch für das Online-Advertising, welches eben die Nutzersituation und damit letztlich den Echtzeit-Kontext des Nutzers in seiner mobilen Situation begreifen und aufnehmen muss.
Bereits heute informieren sich etwa 80 Prozent der Smartphone-Nutzer mobil zu Produkten und 56 Prozent haben sogar schon einmal mobil bestellt. Bei Google gibt es pro Sekunde etwa 1.500.000 Suchabfragen von mobilen Endgeräten zu Stichwörtern rund um Einkaufen. 88% aller Impulskäufe werden übrigens gemacht, weil ein Artikel im Angebot ist – wäre es da nicht das beste, man würde den Kunden direkt an Ort und Stelle ansprechen?
Wenn aber der ‚Mobile Retail’ so anders ist – wie könnten denn dann Use Cases und Geschäftsmodelle aussehen?
Eine einfache Anwendung wäre, Impulskäufe in der unmittelbaren Umgebung des Nutzers zu stimulieren – etwa durch Rabattaktionen. In Zukunft könnten App-Anbieter den Kunden bis zum Laden navigieren und so B-Lagen wieder attraktiver machen. Hat man diesen Gedanken verinnerlicht, braucht es nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, warum Google soviel Geld in Kartendienste steckt.
Voraussetzung für sinnvolle Nutzererlebnisse im ‚Mobile Retail’ sind allerdings immer zeitnahe Kontextinformationen über den Nutzer. Wo ist der Kunde gerade? In welcher Stimmung ist er? Was hat er vor? Ist er allein? Hat er gerade ein bestimmtes Ziel? Wonach hat er in der Vergangenheit im Internet gesucht? Welche passenden Angebote dazu gibt es in der Nähe?
Interessante Anbieter sind derzeit:
- Shopkick, Checkpoints: Bonusprogramm für Ladenbesuche
- com: Anzeige der Verfügbarkeit von Waren in der Nähe
- Coupies, Gettings: Mobile Couponing
Milo bezeichnet sich selbst als Anti-Amazon. Das Unternehmen möchte jedes Produkt in jedem Regal inventarisieren und somit jeden laden in der echten Welt auch im Internet abbilden. Ende 2010 waren etwa 50.000 Läden weltweit an das System angeschlossen. Während in den USA bereits Millionen von Produkten abgedeckt waren, war Milo in Europa bislang nicht wirklich aktiv. Milo zeigt die aktuelle Warenverfügbarkeit in Echtzeit sowie die aktuellen Preise an. Das Ziel ist klar: Milo möchte herkömmlichen Shopper mit Smartphone in die Läden lotsen.
Für alle Unternehmen, die die Identität der Nutzer kennen und regelmäßige Updates über Standort, Suchbegriffe etc. erhalten, ergeben sich große Chancen im ‚Mobile Retail’.
Das betrifft auch das Tracking von Einkaufsströmen sowie die Möglichkeit eines Performance based Advertisings für den stationären Einzelhandel.