Die Automatisierung manueller Tätigkeiten hat eine neue Dimension erreicht. Während Roboter seit Jahrzehnten in der Industrie im Einsatz sind, war ihre Anwendbarkeit bisher auf hochstandardisierte, sich wiederholende Prozesse beschränkt – etwa in der Automobilproduktion oder Logistik. Doch mit dem Aufstieg humanoider Roboter und fortschrittlicher KI-Systeme verändert sich die Lage grundlegend.
Laut einer Studie von McKinsey könnten bis 2030 weltweit bis zu 30 % der Arbeitsstunden durch KI und Robotik automatisiert werden (McKinsey, 2024). In bestimmten Bereichen – etwa in der Lagerhaltung, im Einzelhandel und in der Pflege – ist der Wandel bereits spürbar.
Humanoide Roboter verlassen das Labor
Während klassische Industrieroboter fest installiert sind und vordefinierte Bewegungsabläufe ausführen, sollen humanoide Roboter flexibler sein und sich in bestehende Arbeitsumgebungen einfügen. Ihr großer Vorteil: Sie benötigen keine speziell gestalteten Produktionslinien oder maßgeschneiderte Arbeitsumgebungen.
Besonders große Fortschritte gibt es im Bereich der bipedalen humanoiden Roboter. Unternehmen wie Boston Dynamics, Figure AI und Tesla Optimus entwickeln Maschinen, die menschenähnlich gehen, greifen und autonom einfache Aufgaben erledigen können.
- Tesla Optimus: Elon Musk kündigte 2021 an, dass Tesla humanoide Roboter entwickeln wird, die universell einsetzbar sind. Die zweite Generation des „Optimus“-Prototyps zeigt deutliche Fortschritte in der Feinmotorik und Objekterkennung.
- Figure AI: Dieses 2022 gegründete Unternehmen hat kürzlich Finanzierungsrunden von Amazon und Nvidia erhalten. Ziel ist es, humanoide Roboter für Lager- und Logistikarbeiten zu entwickeln.
- Agility Robotics: Ihr humanoider Roboter „Digit“ wird bereits von Amazon für Lagerarbeiten getestet.
Laut einer Studie von Goldman Sachs könnte der Markt für humanoide Roboter bis 2035 auf über 150 Milliarden US-Dollar anwachsen, wobei Unternehmen der Logistik- und Fertigungsindustrie zu den Hauptkunden gehören (Goldman Sachs, 2023).
Einsatz in der Industrie und Logistik
Die ersten Anwendungen humanoider Roboter sind bereits Realität:
- Amazon testet humanoide Roboter in Lagerhäusern, um Artikel zu kommissionieren und zu verpacken. Der Konzern investiert massiv in KI-gesteuerte Robotik, um die Effizienz seiner Lieferketten zu steigern.
- Hyundai setzt Boston Dynamics‘ „Stretch“-Roboter ein, um Lasten autonom zu transportieren. Die Roboter sind flexibel genug, um in verschiedenen Umgebungen zu arbeiten, ohne dass Anpassungen an der Infrastruktur nötig sind.
- Foxconn experimentiert mit humanoiden Robotern in der Elektronikfertigung, um den anhaltenden Fachkräftemangel in China auszugleichen.
Ein entscheidender Faktor für die zunehmende Verbreitung ist der Preisverfall: Während humanoide Roboter vor wenigen Jahren noch Millionen kosteten, liegen die aktuellen Modelle zwischen 50.000 und 100.000 US-Dollar – und werden weiter günstiger (GlobalX, 2024).
Von der Industrie in den Alltag?
Während humanoide Roboter heute primär in der Industrie und Logistik getestet werden, könnten sie mittelfristig auch in anderen Bereichen Einzug halten:
- Pflege und Gesundheitswesen: In Ländern mit alternder Bevölkerung (Japan, Deutschland, Südkorea) könnten Roboter als Unterstützung für Pflegekräfte dienen. Erste Tests mit „Robear“ in Japan zeigen, dass Roboter Patienten heben und bewegen können, um Pflegepersonal zu entlasten.
- Einzelhandel und Gastronomie: In den USA testen Fast-Food-Ketten humanoide Roboter für Bestell- und Lieferprozesse. McDonald’s experimentiert mit vollautomatischen Restaurants, in denen Roboter sowohl Bestellungen entgegennehmen als auch Burger braten.
- Haushaltsroboter: Laut einer Studie von RethinkX könnte bis 2040 jeder zweite Haushalt einen humanoiden Roboter besitzen, insbesondere in hochentwickelten Ländern (RethinkX, 2024).
Widerstand gegen humanoide Maschinen
Trotz der technologischen Fortschritte gibt es erhebliche Bedenken gegen den verstärkten Einsatz humanoider Roboter:
- Arbeitsplatzverluste: Laut einer Studie des Weltwirtschaftsforums (2024) könnten weltweit 85 Millionen Arbeitsplätze durch Automatisierung ersetzt werden, während 97 Millionen neue, KI-bezogene Jobs entstehen könnten (WEF, 2024).
- Ethische Bedenken: KI-gestützte humanoide Roboter könnten zu „sozialer Entfremdung“ führen, wenn sie verstärkt in Pflege und Service eingesetzt werden.
- Regulierungsfragen: In der EU gibt es Überlegungen zu speziellen Regularien für den Einsatz humanoider Roboter, insbesondere hinsichtlich Datenschutz und Sicherheitsstandards.
Fazit: Kein Science-Fiction mehr
Die Einführung humanoider Roboter in die Arbeitswelt schreitet schneller voran, als viele erwartet haben. Während heute noch viele Prototypen in Entwicklung sind, deuten massive Investitionen von Unternehmen wie Tesla, Amazon und Hyundai darauf hin, dass humanoide Roboter in den nächsten Jahren allgegenwärtig sein könnten.
Für Unternehmen bedeutet dies zwei Dinge:
- Wer früh in die Integration humanoider Roboter investiert, kann sich Wettbewerbsvorteile sichern.
- Es braucht klare Strategien zur Umschulung von Arbeitskräften, um den Übergang in eine automatisierte Zukunft sozial abzufedern.
Die zentrale Frage ist also nicht mehr, ob humanoide Roboter kommen – sondern wann und in welchem Ausmaß sie unsere Wirtschaft und Gesellschaft verändern werden.