Archetypen von Customer Journeys verstehen

Viele Unternehmen haben bereits ein Customer Journey Mapping durchgeführt, um herauszufinden, wie ihre Kunden ihre Top-Angebote nutzen. Die meisten Unterehmen tun sich aber schwer damit, eine perfekte Journey zu designen und ein Customer Engagement Model zu entwerfen.

Dabei kann es helfen, sich zu überlegen, welcher Art die eigene Journey ist. Es ist ein Unterschied, ob der Kunde eine tägliche Alltagsaufgabe zu erledigen hat oder ob er bewusst ein bestimmtes Erlebnis sucht. Diese unterschiedlichen Journeytypen lassen sich auch als Archetypen bezeichnen.

Die Harvard Business Review identifiziert vier Archetypen von Customer Journeys, die jeweils unterschiedliche Ziele und Ansätze erfordern. Doch was bedeuten diese Archetypen genau, und wie können Unternehmen sie gezielt für eine optimale Customer Experience nutzen? In diesem Artikel gehen wir detailliert auf jeden Archetyp ein und zeigen, wie Sie diese in Ihrer CX-Strategie erfolgreich umsetzen können.

 

Was sind Customer-Journey-Archetypen?

Customer Journey Archetypen sind grundlegende Muster von Kundeninteraktionen, die je nach Kontext und Kundenbedürfnis variieren. Indem Unternehmen diese Muster verstehen, können sie gezielt auf die Erwartungen ihrer Kunden eingehen, Prozesse optimieren und positive Erlebnisse schaffen.

Es lassen sich vier Hauptarchetypen unterscheiden (Siebert und Gopaldas):

  • Routinen – Effizienz und Automatisierung im Fokus
  • Joyrides (Spritztouren) – Emotionen und Erlebnisse im Mittelpunkt
  • Treks (Wanderungen) – Komplexität meistern
  • Odysseen – Langfristige Bindung aufbauen

 

Customer-Journey-Matrix

Die vier Archetypen nach Siebert und Gopaldas  lassen sich in einer Customer-Journey-Matrix darstellen. Die Customer-Journey-Matrix hat zwei Dimensionen: der erforderliche Einsatz des Kunden auf seiner Reise (von mühelos bis anstrengend) und die Planungssicherheit des Kunden (von vorhersehbar bis unvorhersehbar).

 

 

 

Routinen – Effizienz und Automatisierung im Fokus

Routinen sind wiederkehrende, alltägliche Interaktionen, bei denen Effizienz und Reibungslosigkeit im Vordergrund stehen. Typische Beispiele sind das Online-Banking, der wöchentliche Lebensmitteleinkauf oder das Buchen eines Taxis per App. Kunden erwarten hier eine reibungslose, schnelle und problemlose Abwicklung.

Routinen eignen sich gut für nützliche Produkte, die Aufgaben schrittweise einfacher und vorhersehbarer machen. Je weniger Reibung auftritt, desto zufriedener ist der Kunde.

Routinen sind wiederkehrende Aufgaben und werden manchmal auch als Kundengewohnheiten oder Rituale bezeichnet. Sie laufen oft unbewusst und spontan ab und benötigen in der Regel keine komplexe Planung. (Daniel Kahnemann spricht hier von siehe „schnellem Denken“). Routinen beinhalten typischerweise einen Auslöser (Trigger) für eine Aktivität und rufen eine Belohnung hervor. (Beispielsweise ist der Morgen ein Auslöser zum Zähneputzen und wird mit frischem Atem belohnt.) Während alle Abläufe Mustern folgen, sind Routinen besonders repetitiv.

Gute Journeys machen Routinen also einfacher und vorhersehbarer: die Journey soll möglichst „seamless“ ablaufen und wenig Reibungspunkte bieten. Umso weniger der Kunde am Touch Point überlegen muss, desto zufriedener ist er. Benutzerfreundlichkeit und Design-Konsistenz über alle Interaktionen hinweg sind bei Routinen das A und O bei diesem Journey-Archetyp. Handelt es sich um den Archetyp Routine ist eine Ziel der Journey-Optimierung die Eliminierung aller nicht wertschöpfenden Kontaktpunkte.

Beispiele für besonders gut gestaltete Kundenerlebnisse bei Routinen-Jorneys sind:

  • mobiler Bestellprozess von McDonalds
  • Taxi-Bestellung bei UBER
  • Bluetooth-Waagen
  • Mobile Banking-Apps

Kunden von McDonalds können inzwischen mobil und aus dem Auto heraus mit der App via Sprach-KI bestellen und im McDrive abholen. Statt einer umständlichen Taxi-Bestellung drückt man bei UBER nur auf einen Knopf in der App und sieht jederzeit, wie sich der Wagen dem eigenen Standort nähert, die Bezahlung klappt auch ohne Kleingeld direkt aus der App. Wer sich heute mit einer Bluetooth-Waage von Withing wiegt kann das Gewicht direkt via Schnittstelle mit seiner Fitness- oder Abnehm-App synchronisieren und weiss jederzeit, wie weit er von seinem Ziel noch entfernt ist. Mit mobilen Banking-Apps können die wichtigsten Bankgeschäfte, die Routinen sind, von unterwegs erledigt werden.

Und Amazon ist als Online-Händler auch deshalb führend, weil der Einkauf besonders bequem abläuft – mit nur einem Klick ist die Lieferung am nächsten Tag da, das Design des Bestellvorgangs sieht für jeden Händler auf der Plattform gleich aus und muss nicht erlernt werden.

Erfolgsfaktoren für Routinen sind:

  • Automatisierung: Self-Service-Portale, Chatbots und KI-gestützte Supportsysteme beschleunigen Prozesse.
  • Benutzerfreundlichkeit: Eine klare, intuitive Navigation ist entscheidend.
  • Zuverlässigkeit: Stabilität und Sicherheit der Systeme sorgen für Vertrauen.

Aber auch klassische Unternehmen sollten sich gut überlegen, welche Massnahmen entlang der Customer Journey wirklich etwas bringen. Die Archetypen können dabei helfen. Ein Stromversorger könnte seinen Kunden etwa ein Self-Service-Portal anbieten, in dem Rechnungen eingesehen, Verträge angepasst und Support-Anfragen direkt geklären werden können.

 

Joyrides – Emotionen und Erlebnisse im Mittelpunkt

Joyrides sind erlebnisorientierte Journeys, bei denen positive Emotionen und Überraschungsmomente zentral sind. Kunden suchen hier nach besonderen Momenten, die sie begeistern und in Erinnerung bleiben. Joyrides erfordern aber keinen großen Einsatz vom Kunden, sie haben eine niedrige Schwelle zum Erlebnis, der Kunde benötigt auch keine größere Vorbereitung.

Ähnlich wie bei Routinen sollte die Journey möglichst reibungslos und einfach verlaufen, Design und Konssitenz sind entsprechend wichtig.

Erfolgsfaktoren für gute Joyrides sind:

  • Kreativität: Überraschende und inspirierende Erlebnisse schaffen.
  • Personalisierung: Kunden individuell ansprechen und gezielt überraschen.
  • Emotionale Verknüpfung: Markenwerte und Erlebnisse emotional aufladen.

Zum Beispiel bietet ein Reiseveranstalter personalisierte Erlebnisreisen an, bei denen Kunden individuelle Abenteuer erleben können – vom Helikopterflug über den Grand Canyon bis zur Weinverkostung in der Toskana.

 

Treks – Komplexität meistern

Treks sind komplexe Journeys, die mehr Engagement und Anleitung erfordern. Kunden durchlaufen mehrere Phasen und sind auf Hilfestellungen angewiesen. Dazu gehören etwa Beratungsprozesse im B2B-Bereich oder der Abschluss eines Hypothekendarlehens.

Erfolgsfaktoren für Treks

  • Klare Anleitung: Transparente Prozesse und verständliche Erklärungen.
  • Persönliche Betreuung: Support durch Experten, die Fragen beantworten.
  • Flexibilität: Kundenbedürfnisse individuell berücksichtigen.

Ein Beispiel wäre, wenn ein IT-Dienstleister maßgeschneiderte Softwarelösungen anbietet. Von der Bedarfsanalyse über die Implementierung bis zum Support werden Kunden eng begleitet. Der Kunde erwartet, dass sich die Journey an seinen spoezifischen Bedarf anpassen lässt.

 

Odysseen – Langfristige Bindung aufbauen

Odysseen sind langfristige, vielschichtige Journeys, die eine tiefe Beziehung zum Kunden aufbauen. Kunden werden über Jahre hinweg begleitet, etwa bei langfristigen Serviceverträgen oder Lebensversicherungen.

Erfolgsfaktoren für Odysseen sind:

  • Vertrauensaufbau: Konsistente und verlässliche Kommunikation.
  • Individuelle Betreuung: Personalisierte Angebote und Services.
  • Feedbackkultur: Kundenmeinungen aktiv einholen und darauf reagieren.

Bspw. bietet ein Automobilhersteller seinen Kunden nach dem Fahrzeugkauf regelmäßige Wartungsservices, exklusive Events und individuelle Beratung für Folgekäufe an.

 

Fazit: jeder Archteyp benötigt eine andere Governance-Struktur

Die erfolgreiche Gestaltung einer Customer Journey hängt stark von der richtigen Governance der jeweiligen Journey ab. Erfolgsfaktoren sind demnach zusammenfassend unterschiedliche Governance-Strukturen und Journey-Design:

  • Routinen: Standardisierte Prozesse und klare Verantwortlichkeiten.
  • Joyrides: Flexible Prozesse, die kreative Gestaltung ermöglichen.
  • Treks: Klare Prozessschritte mit definierten Ansprechpartnern.
  • Odysseen: Personalisierte Betreuung und langfristige Kundenbindung.

Technologie spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung und Optimierung von Customer Journeys. KI-gestützte Tools ermöglichen es, Kundenverhalten vorherzusagen und personalisierte Erlebnisse in Echtzeit anzubieten. Jeder Customer Journey-Archetyp hat seine eigenen Anforderungen und Erfolgsfaktoren. Unternehmen, die diese verstehen und gezielt umsetzen, schaffen bessere Kundenerlebnisse und langfristige Kundenbindung.

 

Quellen und Links:

 

  • Anton Siebert , Ahir Gopaldas et. al (2020), „Customer Experience Journeys: Loyalty Loops Versus Involvement Spirals“, in: Journal of Marketing, 2020, Vol. 84(4), S. 45-66
  • Kahnemann, Daniel (2016): „Schnelles Denken, langsames Denken“.
Inhalte
    Nach oben scrollen